Billy
Beane gilt als Urvater der Moneyball-Jahre im American Baseball. Wegen der
finanziellen Lücke zu Großteams wie den Boston Red Sox, versuchte er mittels
Sabermetrics unterbewertete Spieler zu identifizieren und diese zu werben. Der
resultierende Erfolg und die dramaturgische Aufarbeitung im Film „Moneyball“
mit Brad Pitt, brachte diese Thematik schließlich auch nach Europa. Während
American Football, Baseball und Eishockey seit Jahren eng mit allen möglichen
Statistiken und Kennzahlen verwoben sind, steckt die statistische Aufarbeitung und
Analyse des europäischen Fußballs noch in den Kinderschuhen. Richtig salonfähig
wurden Kennziffern wie Ballbesitz oder Laufleistung erst seit der Zeit ab
Guardiola. Dennoch müssen diese Werte zwecks Aussagekraft in Zukunft noch
überarbeitet werden, was bringt einer Mannschaft auch 70 Prozent Ballbesitz,
wenn der nur in der eigenen Hälfte stattfindet? Oder 92 Prozent erfolgreiche
Pässe, wenn der Großteil nur horizontal zum anderen Innenverteidiger gespielt
wird?
So wird
natürlich versucht, nicht nur die Leistung eines einzelnen Spielers greifbar zu
machen, sondern auch die einer gesamten Mannschaft. Natürlich, am Ende des
Tages zählen nur die Punkte in der Tabelle. Doch stellt sich die berechtigte
Frage: Spiegelt der Punktestand die tatsächliche Qualität einer Mannschaft
wieder?
Erzielte
Tore geben oft ein verzerrtes Bild über die Qualität zweier Mannschaften
wieder. Besonders im Fußball spielt der Faktor Zufall eine größere Rolle als in
oben genannten American Sports. Grund hierfür ist der geringere Spielfluss in
jenen Sportarten. Aktionen im American Football beispielsweise, sind
Standardsituationen im Fußball ähnlich. Es handelt sich um eine von der
ballbesitzenden Mannschaft zuvor planbare Aktion, die im Training eingeschliffen
werden kann. Schlägt die Aktion fehl, wird das Spiel mit einer neuerlichen
einstudierten Variante fortgesetzt. Während im Fußball nach einer missglückten
Eckballvariante der Konter läuft und ein Team trotz aller Überlegenheit in der
89. Minute das 0:1 fangen kann. James Grayson, ein kanadischer Statistiker, hat
sich dem Thema gewidmet und im Eishockey schon lang bekannte Zahlen auf den
Fußball adaptiert. Zwei wesentliche Gradmesser für die Qualität einer
Mannschaft sind die Total Short Ratio (TSR) und die PDO. Letztere ist kein
Akronym, sondern der Username ihres Erfinders, Brian King.
Total Shot Ratio & Expected Goals Ratio
Der
optimalste Gradmesser für Qualität von Fußballmannschaften stellt folglich die
Anzahl der Schüsse dar. Die TSR setzt eigene Schüsse in Relation zu den
Schüssen beider Mannschaften eines Spiels.
TSR = shots / (shots + conceeded shots)
Liegt der
Wert über 0,5, hat ein Team öfter geschossen als sein Gegner; beträgt der Wert
1, hat jenes Team alle Schüsse in einem Match abgefeuert. Plakativ könnte man
nun natürlich sagen: Je mehr Schüsse, desto besser ein Team. Dem ist natürlich
nicht so. Team A schießt achtmal aus Verzweiflung aus 30 Metern und erzeugt
dabei kaum ähnliche Gefahr wie Team B, welches zwei herausgespielte Abschlüsse
aus zehn Metern verzeichnet. Dennoch wäre die TSR für Team B nur 0,2. Also ist
Schuss nicht gleich Schuss.
Statistiker
haben hierfür wiederum die Expected Goal Ratio (ExpGR) entwickelt. Sie ordnet
jedem Schuss einen qualitativen Wert zu. Abschlüsse vom Fünfer besitzen einen
höheren Wert als Schüsse aus 30 Metern. Alle Werte werden nach Spielende summiert.
Liegen die tatsächlich erzielten Tore einer Mannschaft über der ExpGR, ist das
Team überdurchschnittlich effizient. Bleibt zum Abschluss nur noch die Frage:
Wie ordne ich den Schüssen qualitative Werte zu? Statistiker haben hierfür
komplexe Methoden. Eine Möglichkeit für den Laien stellt allerdings die TSR für
den Strafraum dar. Eine Analyse von Martin Andermatt
für die Euro 2012 hatte ergeben, dass 88 Prozent aller Tore innerhalb des
Strafraumes erzielt wurden. Insofern werden die abgefeuerten Schüsse im
Strafraum in Relation zu allen in einem Spiel im Strafraum durchgeführten
Schüsse gesetzt, um die qualitativ hochwertigen Abschlüsse zu erfassen. Für die
deutsche Bundesliga nach 13 Spieltagen ergibt sich folgendes Bild, die Ziffern
in Klammer entsprechen dem aktuellen Tabellenrang:
Team | TSR (16er) |
Bayern (1) | 0,778 |
Leverkusen (3) | 0,653 |
BVB (18) | 0,620 |
Wolfsburg (2) | 0,583 |
Augsburg (4) | 0,515 |
Frankfurt (9) | 0,491 |
Hoffenheim (7) | 0,490 |
Freiburg (15) | 0,479 |
HSV (17) | 0,476 |
Gladbach (5) | 0,471 |
Paderborn (11) | 0,468 |
Mainz (10) | 0,457 |
Hertha (13) | 0,455 |
Hannover (8) | 0,445 |
Stuttgart (16) | 0,440 |
Schalke (6) | 0,424 |
Werder (14) | 0,422 |
Köln (12) | 0,314 |
Großteils
stimmt die TSR mit der aktuellen Tabellenregionn überein. Krasser Ausreißer ist
natürlich Borussia Dortmund. Die Schwarz-Gelbe stehen völlig überraschend am
Tabellenende. Eine TSR (Strafraum) von 0,620 beweist aber, dass die Jungs von
Jürgen Klopp gemessen ihrer Qualität ganz woanders stehen müssten. Die
drittmeisten Torschüsse (das gesamte Feld betrachtet) abgegeben, die
drittwenigsten Torschüsse zugelassen. Das große Manko ist allerdings die
Verwertung. Nur 6,3 Prozent aller BVB-Schüsse landen im Netz. Nur der HSV ist noch
schlechter; der Bundesliga-Mittelwert liegt bei 10,7 Prozent. Außerdem gehen lediglich
30 Prozent der BVB-Schüsse auf das Gehäuse. Auch hier ist nur der HSV und -
welch Überraschung - Bayer Leverkusen noch schlechter. Die Bayer-Elf scheint
jedoch mit Bellarabi und Son über mehr Qualität zu verfügen, was auch die
Statistik beweist: 10,4 Prozent aller Leverkusener Schüsse landen im Netz. Auch
Freiburg und Hamburg scheinen der TSR zu Folge über größeres Potenzial zu
verfügen als es der Tabellenplatz erahnen lässt. Als große Schwachstelle der
Rothosen werden die zugelassenen Schüsse im eigenen Torraum ausgewiesen. In
jedem Bundesligaspiel darf der HSV-Gegner 1,31-mal vom Fünfer abziehen. Die gleiche
Schwachstelle hat der VfB Stuttgart. Bei den Schwaben liegt dieser Wert sogar
bei 1,395-mal.
PDO
Ob nun
eine hohe TSR tatsächlich einen Tabellenplatz an der Sonne sichert, hängt
natürlich davon ab, ob die Schüsse auch reingehen. Oder der Handschuh hinter
einem auch mal einen Unhaltbaren fischt. Diese Ergebnisse fasst die PDO
zusammen. Sie addiert den Prozentsatz verwandelter Torschüsse mit dem
Prozentsatz gehaltener Schüsse. Aus ästhetischen Gründen wird die Summe mit
1000 multipliziert.
PDO =
1000 * (sh% + sv%)
Ein
Torschuss kann zwei Ergebnisse haben: Tor oder gehalten. Der Mittelwert aller
Aktionen ist 1. Ein kleines Beispiel stellt dies verständlich dar: In einer
Saison wird insgesamt 750-mal auf das Tor geschossen (n=750). Davon werden 10
Prozent der Schüsse verwandelt ergo werden 90 Prozent pariert. Das Ergebnis
beträgt 1 bzw. die PDO 1000. Je kleiner n jedoch ist, desto größer ist die
Wahrscheinlichkeit, dass die PDO größeren Schwankungen um 1000 unterliegt als
bei größerem n. Dies besagt das Gesetz der großen Zahl und kann durch ein
Praxisbeispiel verdeutlicht werden. Werfe ich eine faire Münze ist die
Wahrscheinlichkeit für Kopf und Zahl jeweils 50 Prozent. Der Mittelwert ist
demnach 0,5. Wenn ich die Münze nun zehnmal werfe, ist es aber nicht
unwahrscheinlich, dass vielleicht nur zweimal Kopf kommt. Wenn die Münze erneut
zehnmal geworfen wird, kommt vielleicht viermal Kopf. Insofern liegt der
Mittelwert nach der zweiten Serie bereits bei 0,3 ( (0,2+0,4)/2). Je öfter die
Münze geworfen wird, desto eher nähert sich der Mittelwert dem erwarteten
Mittelwert von 0,5. Für die PDO lässt sich daraus ableiten, dass Leistungen von
≤980 und ≥1020 durch Zufall, Glück und Pech resultieren. Auf Grund des Gesetzes
der großen Zahl kann die PDO kurzfristig aber sehrwohl gröberen Schwankungen
unterliegen, wie dies folgende Tabelle zeigt. Diese normalisieren sich in der
langen Frist (aber einer Saison) aber wieder gegen den Mittelwert.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen