Die Sonne
stand zum Anpfiff tief. Dennoch ronnen den meisten Spielern bereits beim
Betreten des staubigen Spielfeldes salzige Tropfen die Stirn hinab. Österreich
gegen Italien. Die Azzurri kürten sich erst wenige Monate zuvor in Berlin zum
Weltmeister. Frisch gebacken also. Das Selbstvertrauen konnte man in ihren
dunklen Augen sehen. Nicht nur auf Grund des Titelgewinns. Historisch. Und überhaupt. Wir
waren ja nur Österreicher. Überwiegend mit Spielern von steirischen und niederösterreichischen Vereinen. Es lag schon eine beträchtliche Zeit zurück als Vereine aus diesen Bundesländern das Gros des Nationalteams stellten. Auch ein Wiener stand im Aufgebot, kurioserweise von keinem der beiden großen Vereine. Auf der anderen Seite sie, die Italiener. Womöglich aus den schillernden Metropolen Mailand und Turin. Oder aus dem chaotischen Süden, Römer und Neapolitaner. Schnell lagen die
Südländer mit zwei Toren voran. Das vorwiegend italienische Publikum entzückt.
Das übliche Spiel bahnte sich an. Österreich war völlig von der Rolle,
unorganisiert, die meisten von uns technisch unterlegen. Mit dem Rückstand
schien auch die Hoffnung zu schwinden. Unsere Mannschaft steckte aber nicht auf, die Azzurri boten uns Paroli. Jeden Treffer den wir markierten,
konterten die Italiener mit einem weiteren, sodass der Rückstand nicht und
nicht schmelzen wollte. Flüche waren zu hören. „Wappler!“ Das Spiel wurde
ruppiger. Eingeschüchtert durch die unerwartet forsche Spielweise der
Österreicher, fühlte sich die Squadra sichtlich unwohl. „Cazzo!“. Hektisch
dirigierte ihr lang gewachsener Abwehrchef, „Sinistra! SINISTRA!“. Mit
brachialer Gewalt aber, drosch unser Stürmer gegen die Lederkugel, welche aus
kurzer Distanz im Netz der Azzurrini wie eine Bombe einschlug. Ausgleich. Die
Italiener, so schien es, warfen nun im Eifer des Gefechts die Nerven weg. Auch
ihre Spielweise wurde aggressiver, schmutziger. Ein ums andere Mal klatsche ihr
leichtfüßiger Zehner zu Boden. Der Schiedsrichter in Dauerbeschuss
italienischer Beschwerden aber zu eingeschüchtert, um den unsauberen Methoden
der Azzurri Einhalt zu gebieten. Unser tapferer Schlussmann aber hielt bravourös.
„Merda!“ Die Verzweiflung der Azzurrini in Anbetracht des Ergebnisses war
förmlich zu spüren. Peinlich eine mögliche Schmach gegen das kleine Österreich.
Und nicht mehr lange zu spielen. Die Österreicher zollten nun dem hohen Tempo
oder den heißen Temperaturen - oder beidem - Tribut. Die Konzentration schwand. Die
Squadra, angepeitscht von einem kreischenden, vornehmend weiblichen, Publikum. Die Österreicher, aber
den Hauch einer möglichen Sensation witternd und mit dem schieren Mut der
Hoffnung. Ein langer Ball, geschlagen von unserem robusten Abwehrspieler, an
die linke Flanke, kann vom Außenläufer noch vor dem Aus gerettet werden.
Die Azzurrini aber, wollen um jeden Preis die Kugel und doppeln forsch.
Mit der Schulter kann ich mir den einen Angreifer vom Leib halten, spitzle die
Haut am zweiten vorbei und dringe festen Schrittes in den Strafraum. In dem
Moment als der italienische Torhüter wie ein Berserker auf den Ball und mich stürtzt, drücke ich mit links erbarmungslos ab. Zoffs Erben bleibt
keine Chance. Das Leder schlägt wie eine Kanonenkugel im löchrigen Netz ein.
Sechs zu Fünf für Österreich. Die Italiener, bestürzt über das Ergebnis, weisen
sich wild gestikulierend und temperamentvoll fluchend Beschuldigungen am
Untergang zu. Wenige Momente später beendet der tunesische Unparteiische die
Begegnung. Noch Minuten nach dem Abpfiff genieße ich das Gefühl, den
Weltmeister besiegt zu haben. Die meisten der Spieler aber interessiert das
nicht mehr die Bohne. Sie springen, lechzend nach Abkühlung, in den blau schimmernden
Pool oder werden von ihren Eltern abgeholt, um sich für das Abendessen frisch
zu machen.
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